Wohnen im Jahr 1954
Im Jahr 1954 errichtete der Bauverein Gelsenkirchen Horst neue Häuser an der Devensstrasse. Die roten Backsteinbauten verfügten über Drei- und Vierzimmerwohnungen und boten sechs bis acht Familien eine Wohnung. Die Häuser stehen heute noch da.
Wie waren die Wohnungen eingerichtet
Die Wohnungen besaßen eine lange Diele, rotgestrichene Hölzer als Fußboden, auf denen man nie geräuschlos laufen konnte. Es knarrte bei jedem Schritt. Im Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche und Kinderzimmer war ein Linoleumboden verlegt, der Boden im Bad war weiß gefliest, die Wände nicht. Der Fliesenspiegel in der Küche war auf der linken Seite circa 1,50m hoch, die Fliesen hatten eine gelbliche Farbe. Unter dem Küchenfenster eine lange Anrichte, links stand der Boiler, auf der rechten Seite der Behelfskühlschrank.
Das Bad
Das Badezimmer war circa 6qm groß, hinten quer an der Wand unterhalb eines kleinen Fensters befand sich die Badewanne. Vorne auf der rechten Seite stand der im Boden verankerte Toilettentopf, über dem fast in Deckenhöhe der Spülkasten angebracht war. Um die Spülung für die Toilette zu betätigen, musste an einem Porzellangriff, der an einer Kette am Spülkasten herunterhing gezogen werden. Auf allen Porzellangriffen in dieser Siedlung war der Name der Sanitärfirma, die die Toiletten installiert hatten zu lesen, die Firma Trah, die es heute noch in Gelsenkirchen Horst gibt. Links neben der Toilette befand sich ein Spülstein mit einer Zweigriffarmatur, ein Griff für kaltes und einer für warmes Wasser. Die Tür für das Bad besaß im oberen Bereich eine Milchglasscheibe. So um das Jahr 1965 waren fast alle Badezimmer in der Siedlung mit den gleichen Fliesen ausgestattet. Jeder wollte ein Bad in der Farbe Bahama-Beige besitzen.
Das Schlafzimmer und Kinderzimmer
Der Raum war circa 16qm groß, hatte unterhalb eines großen Fensters einen Rippenheizkörper. Das Kinderzimmer war ein wenig kleiner, besaß ebenso ein Fenster, unter dem ein Heizköper angebracht war.
Das Wohnzimmer
Auch dieser Raum war circa 16qm groß, ausgestattet mit einer großen Fensterfront, unter der ein niedriger Heizkörper seinen Platz fand und einer Tür, die zu einem circa 2×3 m großen Balkon führte. Von dort hatte man einen Ausblick auf den Ascheplatz des Fußball- und Turnvereins STV Horst Emscher, der 1967 Deutscher Amateurmeister im Fußball wurde. Gespielt wurde in Herford gegen Hannover 96. STV Horst Emscher gewann mit 2:0
Die Küche
Das Herzstück der Wohnung war die Küche. Vorne links befand sich ein mächtiger Kohleofen, der täglich mit Papier, Holz und Kohle aus dem Keller zu bestücken war. Die Kohle wurde bei Bedarf direkt von der Zeche Nordstern angeliefert. Viele Kumpel, die ihre Deputat Kohle nicht verbrauchten, verkauften diese an die hier lebenden Mieter zu einem sehr niedrigen Preis weiter. Da sich in dieser Siedlung kaum jemand die Anlieferung von Kohle in Säcken leisten konnte, die Anlieferung war sehr teuer, wurde sie lose auf einem Anhänger mit Pferd angeliefert und auf dem Tonnenstellplatz abgeladen. Vor den Häusern allerdings befindet sich ein ca. 30m breites Rasenstück. Wer glücklicherweise sein Kellerfenster zur Straßenseite hatte, konnte die Kohle, in Eimern abgefüllt, direkt durchs Kellerfenster schütten. Aber die Hälfte der Mieter hatten ihre Kellerfenster zur Hofseite. Das bedeutete, zu den dreißig Metern Rasenfläche war auch noch der Weg hinab in den Keller, durch den Kellergang zum eigenen Keller nötig. Mit 2 schweren Eimern an den Händen waren das jedes Mal um die 50 Meter Wegstrecke. Bis die durchschnittlich bestellte Menge von zwei Tonnen Kohle, ihren Platz im Keller gefunden hatte, vergingen mehrere Stunden. Wer abends vergessen hatte, Kohle im Ofen nachzulegen, hatte im Winter am Morgen Eisblumen an seinen Fenstern. Der Ofen sorgte dafür, dass die Heizkörper mit warmem Wasser versorgt wurden. Neben dem Kohleofen befand sich ein Elektroherd mit vier Kochplatten und eingebautem Backofen. Daneben stand die Spüle mit ihrer Mischbatterie.
In der hinteren linken Ecke der Küche, unterhalb der Anrichte stand ein großer Boiler auf dem Boden. Das einzige, was sichtbar war, war der große Ein- und Ausschalter. Um warmes Wasser für das Bad oder für die Küche zu haben, musste dieser circa 2 Stunden vorher eingeschaltet werden. Dann erwärmte er um die 80 Liter Wasser, genug, um eine Badewanne zu füllen. Aber meistens stand den ganzen Tag über ein großer Wasserkessel auf dem Herd, in dem sich immer warmes Wasser befand. Hinten rechts in der Küche stand ein hölzerner Schrank, circa 60cm breit und einen Meter hoch. Dieser mit einer Tür ausgestattete Schrank sollte die Funktion eines Kühlschrankes übernehmen, die zu dieser Zeit sehr teuer waren und mehr als einen Monatslohn eines normalen Arbeiters kosteten. Wenn man die Tür des Schrankes aufmachte, konnte man nach draußen sehen. Der Schrank besaß keine Rückwand und war direkt ans Mauerwerk eingebaut worden. Einige dieser Backsteinziegel hatten kleine Löcher, die für ein kälteres Klima im Schrank sorgen sollten.
Das Drum-herum
Die Aschetonnen der damaligen Zeit waren natürlich aus Eisen gefertigt wegen der heißen Asche aus den Öfen, waren aber auch gleichzeitig Abfallbehälter und mussten am Abfuhrtag für die Müllabfuhr vom Keller auf den Tonnenplatz an der Straße gebracht werden. Da sie alle gleich aussahen, standen auf Ihnen die Initialen der Besitzer in den unterschiedlichsten Farben aufgemalt. Die Treppenhäuser in der Siedlung waren mit rot-schwarzen Steinplatten ausgelegt, die Briefkastenanlage war innenliegend angebracht und die Haustür zierte gelbes Glas. Hinter den Häusern standen in mehreren Reihen große Wäschestangen, an denen immer irgendwelche Wäsche zum Trocknen hing. Sie Siedlung verfügte auch über ein Waschhaus, das vom Hof aus gut zu erreichen war. Dort musste man sich, bevor man waschen konnte, in ein Waschbuch eintragen und damit einen Termin festlegen.
Heute
Die Häuser wurden aufwendig renoviert. Die einfach verglasten Holzfenster wurden durch moderne Kunststofffenster ersetzt. Auf den Dächern stehen jetzt große Solarzellen. Geheizt wird jetzt mit Fernwärme. Die Wäschestangen auf dem Hof stehen immer noch, rosten aber vor sich hin. Das Waschhaus steht noch, ist aber dauerhaft geschlossen. Aschetonnen gehören der Vergangenheit an, aus Heizkörpern an der Wand wird die Bodenheizung und Warmwasserboiler wurden durch neuartige Heizsysteme ersetzt.
Die Wohnungen haben aber ihren Status als Mietwohnung nicht verloren.
Falls Sie aber mal was Eigenes und Schickes wollen, die Zinsen sind so niedrig wie nie zuvor, fragen Sie doch einfach mal einen guten Makler.
Herzlichen Dank für den Beitrag der die Atmosphäre der 50er lebendig werden lässt.
Gerne würde ich mehr über dieses Projekt erfahren.
Haben Sie noch vorher/nachher Bilder?
Wie hoch waren in etwa die Renovierungskosten pro qm?
Wurde auch die Fassade gedämmt?